19. Dez. 2016: Die mit der Erarbeitung eines Entwurfs für den Tierschutzplan beauftragten Forschungseinrichtungen, das Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. (ATB) und die Lehr- und Versuchsanstalt für Tierzucht und Tierhaltung e.V. (LVAT) Groß Kreutz/Ruhlsdorf, hatten die Vertreter des Berufsstands, des Bündnisses „Agrarwende Berlin-Brandenburg“ und anderer gesellschaftlicher Gruppen zu einer öffentlichen Informationsveranstaltung am 19. Dezember in die Räume der IHK nach Groß Kreutz OT Götz eingeladen.
Im Fokus stand der zu erarbeitende Entwurf des Tierschutzplanes für das Land Brandenburg. Vertreter des Berufsstands, des Bündnisses „Agrarwende Berlin-Brandenburg“ und anderer gesellschaftlicher Gruppen formulierten zur Auftaktveranstaltung ihre zum Teil kontroversen Erwartungen an den zu erarbeitenden Tierschutzplan.
Brandenburgs Agrarminister Jörg Vogelsänger verwies in seinem Grußwort auf den acht Punkte umfassenden Auftrag des Landtags an die Landesregierung. Demzufolge sei unter Beteiligung des Berufsstandes, des Aktionsbündnisses Agrarwende, der Wissenschaft und der Interessenverbände der Wirtschaft bis Ende 2017 ein Tierschutzplan zu erarbeiten, der sich an bestehenden Tierschutzplänen orientiert. Damit habe der Landtag Brandenburg ein sehr ambitioniertes Ziel gesetzt, betonte Vogelsänger. „Eine große Herausforderung ist dabei, dass zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der Erzeuger erhalten bleibt.“ Es helfe nicht, wenn der Tierhaltung in Brandenburg die Basis entzogen würde. Gefordert sei maximale Kompromissbereitschaft in der Erarbeitung eines Tierschutzplans. Die Akteure sollten jetzt aufeinander zugehen und eine konsensuale Lösung erarbeiten.
Brandenburg sei bereits auf einem guten Weg zu mehr Tierwohl, betonte der Minister. In der Agrarinvestitionsförderung werde ab 2017 nur noch die Premiumförderung Anwendung finden, zudem gebe es ab 2017 für Schweinemast- und Geflügelanlagen eine Deckelung. Minister Vogelsänger wies auch auf die Spitzenstellung Brandenburgs im Ökolandbau hin. 2016 habe es hier eine Zunahme von ca. 80 Betrieben und damit zusätzlich 6.900 ha gegeben.
Prof. Dr. Reiner Brunsch, Wissenschaftlicher Direktor des ATB, stellte das von den Konsortialpartnern ATB und LVAT vorgeschlagene Konzept zur Erarbeitung des Brandenburger Tierschutzplans vor. Der zu erarbeitende Entwurf wird ein Maßnahmenprogramm für die Nutztierhaltung beinhalten. Es soll Aussagen zur Optimierung des Managements und der Haltungsbedingungen im Hinblick auf Tierwohl, die Umsetzung des Arzneimittelgesetzes zur Verbesserung der Transparenz und der Reduzierung von Antibiotikaanwendungen sowie den Aufbau von Demonstrationsbetrieben enthalten. Die Empfehlungen werden sich auf die Haltung von Geflügel, Rindern, Schweinen und Pferden beziehen. Ein Zwischenbericht ist für das erste Halbjahr 2017 geplant.
Als erster Schritt wird im Januar ein Lenkungsgremium eingerichtet, das neben jeweils zwei Vertretern des beauftragten Konsortiums ATB und LVAT sowie der Ministerien MLUL und MDJEV mit jeweils fünf Vertretern des Berufsstands und des Aktionsbündnisses besetzt sein wird.
„Unser Ziel ist ein konsensfähiger Maßnahmenkatalog“, brachte Brunsch die Erwartungen an die Zusammenarbeit in den Arbeitsgruppen auf den Punkt. „Wir müssen tierschutzrechtliche, praktische und gesellschaftliche Aspekte berücksichtigen und haben daher die Interessensgruppen eingeladen, sich von Beginn an in die Arbeitsgruppen einzubringen.“
„Wir haben einen klaren Sachauftrag und wollen unsere fundierte Expertise einbringen, um die aus wissenschaftlicher Sicht erforderlichen Maßnahmen für mehr Tierwohl und Tierschutz in der Nutztierhaltung Brandenburgs zu erarbeiten. Dabei werden wir selbstverständlich auch Erfahrungen und Best Practice–Beispiele aus anderen Bundesländern aufgreifen“, unterstrich Brunsch. Dabei gelte es zuvorderst, zum Teil bereits geltende Richtlinien auf EU-Ebene für Brandenburg im Tierschutzplan zu verankern, wie den Verzicht auf die vollständige oder teilweise Amputation von Körperteilen der Tiere sowie die Tötung männlicher Küken (EU RL 2008/120/EG).
Prof. Brunsch verwies auf die fundierte Expertise der beiden beauftragten Konsortialpartner ATB und LVAT. So habe das ATB bei der Erarbeitung nationaler Tierhaltungsrichtlinien darauf hingewirkt, bei der Bewertung von Tierhaltungsanlagen nicht nur Umweltwirkungen, sondern auch Tierwohl und Tierschutz zugrunde zu legen.
Der Sprecher des Aktionsbündnisses Agrarwende Michael Wimmer unterstrich die Forderung nach einem gesellschaftlichen Diskurs darüber, was Landwirtschaft heute leisten solle. Es gehe um einen Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft weg von einer „Preisführerschaft“ hin zur „Qualitätsführerschaft“. Bei der Entwicklung des Tierschutzplans mahnte er auch die Vertreter der zivilgesellschaftlichen Interessensgruppen zu Gesprächsbereitschaft und Geduld im Prozess. Nur wenn es gelänge, die Landwirte als Verbündete zu gewinnen, könne Tierwohl nachhaltig in der Tierhaltung implementiert werden.
Gesprächsbereitschaft signalisierte auch der Sprecher des Berufsstandes, Dr. Simon Harnisch vom Landesbauernverband Brandenburg e.V.. Er wies auf die rückläufigen Zahlen der Bestände an Schweinen und Hühnern in Brandenburg hin. Es gebe nicht zu viele Tiere in Brandenburg, im Gegenteil wäre mehr Tierhaltung wünschenswert, um im Sinne der Kreislaufwirtschaft die Brandenburger Agrarflächen ausreichend mit Wirtschaftsdünger versorgen zu können. Er betonte zudem, dass Tierwohl eine Frage des Managements sei und nicht der Betriebsgröße.
Über Erfahrungen aus anderen Bundesländern bei der Umsetzung von Tierschutzplänen berichteten Dr. Bernd Broschewitz und Dr. Caroline Henschel vom Landwirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern sowie Dr. Hans-Joachim Herrmann vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen. Er berichtete aus der Arbeit des Tierschutzkompetenzzentrums und dem „Runden Tisch Tierwohl Hessen“. Auch Herrmann unterstrich, dass Tierwohl keine Frage der Bewirtschaftungsform oder der Bestandsgröße sei. Erfahrungen aus der Abschaffung des Schwänzekupierens in der Schweinehaltung zeigten, dass trotz optimierten Stallklimas, verbesserter Fütterung und eines größeren Platzangebots das Schwanzbeißen nicht verhindert werden konnte. Um tatsächlich mehr Tierwohl zu erreichen, müssten alle Akteure Hand in Hand arbeiten und Zielkonflikte u. a. mit dem Umweltschutz gezielt ansprechen, gab Herrmann den Brandenburger Akteuren und Interessensvertretern mit auf den Weg.
Die nachfolgende Diskussion wurde von Dr. Olaf Bellmann vom Leibniz-Institut für Nutztierbiologie Dummerstorf moderiert.
Hintergrund: Im September 2016 hatte das federführende Brandenburger Agrar- und Umweltministerium gemäß Beschluss des Landtags den Auftrag zur Erarbeitung des Tierschutzplans in einem öffentlichen Vergabeverfahren an die Bietergemeinschaft aus ATB und LVAT vergeben. Beide Einrichtungen kooperieren seit Jahren bei Forschungsprojekten zum Tierwohl.
Weitere Informationen: tierschutzplan-brandenburg.de
Kontakt:
Helene Foltan – Presse- und Öffentlichkeitsarbeit - hfoltan@ Koordination Tierschutzplan - atb-potsdam.detierschutzplan@ atb-potsdam.de
Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. (ATB)
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