Im Beisein von Brandenburgs Wissenschaftsministerin Dr. Manja Schüle und Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert wurde heute eine Bauzaun-Ausstellung in Potsdams Mitte eröffnet, die quasi im Verbeigehen Forschungs- und Anwendungsbeispiele aus der Bioökonomie zeigt. Mit dem Titel: „Echt krass: alles aus Gras“ präsentiert das ATB hier die Arbeiten im EU-Projekt GO-GRASS.
Zu finden ist der Bauzaun in der Potsdamer Dortustraße zwischen Rechenzentrum und Stadtkanal.
Jedes der zwölf Bauzaun-Banner stellt aktuelle Forschungsprojekte aus ganz Deutschland vor, mit denen Forscher*innen heute nach innovativen Lösungen für die Anforderungen von morgen suchen: von der Nutzung neuartiger Kraftstoffe und Wertschöpfungsketten bis hin zu Kunst und Bioökonomie am Bau.
Aus Potsdam stehen gleich zwei Projekte stellvertretend für die Forschungsvielfalt in der Region: Um die Nutzung von Pilzen als Quelle neuer Biokatalysatoren geht es im Projekt des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie IZI-BB. Im EU-Projekt GO-GRASS, das vom ATB koordiniert wird, steht die Potenzialerschließung von Gras für nachhaltige Produkte von bisher nicht genutzten Standorten im Fokus.
„Grünland bedeckt 21% der Fläche Europas. Klassisch werden diese Flächen als Wiesen- und Weideland genutzt. Aber nicht alle Flächen sind bisher gewinnbringend nutzbar. Einige Flächen sind schwer zugänglich oder die dort wachsende Biomasse hat nur einen geringen Nährwert,“ erläuterte ATB-Wissenschaftlerin Dr. Sonja Germer, die das EU-geförderte Projekt GO-GRASS vorstellte. Hier arbeitet das ATB gemeinsam mit 22 Partnern daran, Grünschnitt regionalspezifisch nutzbar zu machen und konkrete biobasierte Geschäftsmodelle umzusetzen und zu testen, um so ländliche Regionen zu stärken.
„Ein konkretes Beispiel hierfür in Brandenburg ist das Gebiet des Nationalparks Unteres Odertal. Aus dem Gras, das dort geerntet wird, sich aber nicht als Tierfutter eignet, stellen wir am ATB mit verschiedenen Verfahren Pflanzenkohle mit ganz spezifischen Eigenschaften her. Die bestgeeignete Technologie wird dann im Brandenburger Demonstrationsstandort in Betrieb genommen. Pflanzenkohle speichert Kohlenstoff langfristig und kann als Bodenhilfsstoff die Qualität landwirtschaftlicher Flächen verbessern,“ so Sonja Germer.
Im Niederländischen Demonstrationsprojekt wird Grünschnitt von Straßenrändern und Naturschutzgebieten genutzt und mittels Fermentierung in Verpackungsmaterialien und hochwertiges Papier verarbeitet. In Schweden zerkleinern und pelletieren die Partner Schilfgras, um es als Einstreu in der Tierhaltung zu verwenden. Ganz im Sinne der kreislaufbasierten Bioökonomie kann das Material im Anschluss in Biogasanlagen oder zur Düngung verwendet werden. In Dänemark arbeiten die Kollegen daran, aus Gras in Bioraffinerien hochwertige Proteinen zu gewinnen. Diese sollen Futtermittel bereichern und langfristig die Soja-Importe reduzieren. Die Reststoffe nach der Proteinextraktion können an die Rinder verfüttert werden. Die erfolgreichsten Geschäftsmodelle sollen schließlich auf andere Regionen übertragen werden.
Dr. Manja Schüle, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, und Mike Schubert, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Potsdam und Vorstandsvorsitzender von proWissen Potsdam zeigten sich über die vielfältigen Ansätze begeistert. Diese böten auch Anreize für die Region Potsdam und Brandenburg.
„Was ist Bioökonomie? Ganz einfach: Papier aus Gras, Kaffeekapseln aus Holz, Energiespeicher aus Eierschalen – allgemein: umweltverträgliche Produkte auf der Basis nachhaltiger Rohstoffe", so Min Schüle. Brandenburg habe sich zu einem Hotspot der Bioökonomie-Forschung entwickelt, wie jetzt am Bauzaun zu besichtigen sei, wo sich gleich zwei Potsdamer Erfolgsprojekte vorstellen.
"Weil in der Bioökonomie zentrale Zukunftsthemen erforscht werden, unterstützen wir den Aufbau eines ‘Leibniz-Innovationshofes für nachhaltige Bioökonomie‘ mit 25 Millionen Euro aus dem Zukunftsinvestitionsfonds des Landes – das größte Einzelprojekt des Forschungsministeriums. Unter Federführung des ATB wird dieser bundesweit einzigartige Modellbetrieb aufgebaut, der nachhaltige Landwirtschaft, gesunde Lebensmittel, biobasierte Materialien und Reststoffmanagement optimal miteinander verknüpft. Das richtige Instrument, um Innovationen in der Bioökonomie zu erproben: Verbraucher*innen können sich über die Zukunft moderner, nachhaltiger Landwirtschaft informieren und eigene Erwartungen einbringen, Unternehmen wiederum Innovationen ausprobieren und sie einem Praxistest unterziehen. So wird Zukunft in Brandenburg gemacht“, sagte Dr. Manja Schüle, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg.
Prof. Dr. Annette Prochnow, stellv. Wissenschaftliche Direktorin des ATB, beschrieb eine zirkuläre und nachhaltige Bioökonomie als das zentrale Forschungsziel des Instituts und ergänzte im Hinblick auf den geplanten Leibniz-Innovationshof: „Gemeinsam mit vielen Partnern wollen wir in diesem Modellvorhaben die zirkuläre Bioökonomie beispielhaft umsetzen und dort geschlossene Kreisläufe aus Landwirtschaft, der Erzeugung von Lebensmitteln und der stofflichen und energetischen Nutzung von Biomasse erreichen – unter anderem auch durch eine vielfältige Nutzung der Biomasse von Grünland.“
Die Eröffnung des Potsdamer Bauzauns bildete den Auftakt für die fast zeitgleichen Ausstellungen in den Wissenschaftsstädten Potsdam, Halle (Saale), Bochum, Bielefeld, Bremen, Karlsruhe, Oldenburg, Regensburg und Siegen. Alle genannten Städte sind Mitglieder im Strategiekreis „Wissenschaft in der Stadt!“ (WISTA). Die Bauzaunausstellung ist eins der 16 Förderprojekte im „Wissenschaftsjahr 2020|21 – Bioökonomie“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Koordiniert wird die Ausstellung durch den Verein proWissen Potsdam.
Nachhaltig geht es bei diesem Projekt nicht nur inhaltlich zu: Die Banner bestehen zu 100% aus recycelten PET-Flaschen und werden nach Ende der Ausstellung im Rahmen von Kunst-Projekten wiederverwertet.
„Mit der Ausstellung zeigen wir, wo sich die Forschungsthemen der Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen im Alltag wiederfinden und wie ein nachhaltiges Leben aussehen kann“, ergänzt Florian Gerstmann, Projektmanager proWissen Potsdam e.V. Inforationen zum Projekt und zu begleitenden Veranstaltungen finden Sie unter: www.wissenschaft-in-der-stadt.de/biooekonomie
Wissenschaftsjahr 2020|21 – Bioökonomie
Wie können wir nachhaltiger leben, Ressourcen schonen und gleichzeitig unseren hohen Lebensstandard erhalten? Das Wissenschaftsjahr 2020|21 – Bioökonomie hält Antworten auf diese Frage bereit. Bürgerinnen und Bürger sind dazu eingeladen, im Dialog mit Wissenschaft und Forschung den Wandel hin zu nachhaltigen, biobasierten Produktions- und Konsumweisen zu diskutieren. In vielfältigen Formaten wird das Konzept der Bioökonomie mit all seinen Potenzialen und Herausforderungen erlebbar gemacht und aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Die Wissenschaftsjahre sind eine Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).