Am Dienstag, den 24. Januar 2023 hat die Europäische Kommission Hausgrillen als Bestandteil verarbeiteter Lebensmittel zugelassen. Der Verzehr der Hausgrillen als neuartige Lebensmittel wurde als gesundheitlich unbedenklich eingestuft. Trotzdem reagieren Verbraucher*innen zum Teil verunsichert auf diese Neuerung. Lebensmitteltechnologe Dr. Oliver Schlüter forscht im Verbundprojekt food4future an der Entwicklung eines nachhaltigen Indoor-Produktionssystems für die Insekten. Neben dem Potenzial der Grillen stehen auch mögliche Risiken in Fokus. Welche Maßnahmen können die Belastung von Grillen mit Mikroorganismen minimieren? Wie sieht eine sicherere Produktion aus?
In food4future arbeiten Forschende seit 2019 an Innovationen für eine nachhaltige und gesunde Lebensmittelversorgung. Neben Makroalgen, salztoleranten Pflanzen und Quallen stehen Grillen als alternative Nahrungsquellen im Fokus. Unter der Leitung von Dr. Oliver Schlüter, Lebensmitteltechnologe vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB), werden nachhaltige Insekten-Aufzuchtprozesse für eine urbane Indoor-Kultivierung entwickelt.
Um eine sicherer Produktion und damit auch gesunde Lebensmittel mit Grillen zu gewährleisten, können die Insekten vor der Weiterverarbeitung thermisch behandelt werden. Das hilft dabei die Restfeuchte von beispielsweise Mehl aus Grillen auf das empfohlene Maß zu reduzieren. Schlüter erläutert: „Bei der mikrobiologischen Sicherheit spielen viele Faktoren eine Rolle: daher müssen beispielsweise die Keimzahlen bereits bei der Insektenproduktion ebenso kontrolliert werden wie bei den Aufbereitungsschritten und den nachfolgenden Prozessierungspfaden, einschließlich der jeweiligen Lagerungs- und Verpackungsregime bis hin zum Endprodukt. Hier besteht prinzipiell kein Unterschied zu vergleichbaren herkömmlichen Lebensmittelverarbeitungsketten. Eine sichere Produktion und Verarbeitung beherrscht mögliche Risiken und ist die Grundvoraussetzung, um auch die Vorteile von Grillen als eine alternative Ressource für nachhaltige und gesundes Lebensmittel bei der Humanernährung zu nutzen.“
Nachhaltige und gesunde Ernährung mit Hausgrillen möglich
Das Potenzial der auch Heimchen genannten Insekten als zukunftsfähiges Nahrungsmittel ist enorm. Aktuell werden Grillen vor allem in Asien in Grillenfarmen gezüchtet. Neben ihrem hohen Gehalt an Nährstoffen wie Eiweißen und Fetten liefern Grillen auch Vitamine und Mineralstoffe für die menschliche Ernährung. Sie können darüber hinaus einen Beitrag zu nachhaltigem Konsum leisten, da sie im Vergleich zu konventionellen Protein-Lieferanten wie Rinder- oder Schweinefleisch weniger Ressourcen wie Futtermittel, Wasser oder Fläche für ihre Aufzucht benötigen und – in Abhängigkeit vom jeweiligen Produktionssystem – in der Regel eine geringere Treibhausgasbilanz aufweisen.
Hausgrillen bereits seit 2022 in der EU zugelassen
Bereits im vergangenen Frühjahr hat die Europäische Kommission nach einer ausführlichen wissenschaftlichen Evaluierung durch die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Vermarktung von Hausgrillen (Acheta domesticus) getrocknet, gefroren oder in Pulverform als neuartiges Lebensmittel (Novel Food) zugelassen. Neu ist, dass sie nun auch in verarbeiteten Lebensmitteln eingesetzt werden dürfen.
Die Zulassung hat jedoch teilweise zur Verunsicherung bei Verbraucher*innen geführt. Nicht zuletzt die Befürchtung, ungewollt Grillen in verarbeiteten Lebensmittel zu verzehren, ist dabei Gegenstand der Diskussionen. Die Kennzeichnungsbestimmungen des europäischen Lebensmittelrechts sehen jedoch vor, dass Lebensmittel eindeutig mit „Acheta domesticus (Hausgrille)“ in der Zutatenliste gekennzeichnet sein müssen. Auch der Hinweis zum allergenen Potenzial der Grillen ist verpflichtend. Neben der rechtlich eindeutigen Situation machen die hohen Preise von Grillen-Erzeugnissen die vielerorts geäußerte Befürchtung, dass diese Lebensmittel nicht-deklariert untergemischt werden, sehr unwahrscheinlich. In Hinblick auf die mikrobielle Belastung von Grillen gelten – wie bei allen anderen Lebensmitteln – Höchstwerte, die nicht überschritten werden dürfen.
Kontakt am ATB: Dr. Oliver Schlüter
Kontakt food4future: Julia Vogt, f4f-Projektmanagerin, E-Mail: vogt@ igzev.de
food4future - Nahrung der Zukunft (f4f) befasst sich mit radikalen Innovationen für eine nachhaltige Lebensmittelversorgung der Zukunft. Zehn Partnerinstitutionen aus Wissenschaft und Wirtschaft unter der Leitung von Prof. Monika Schreiner vom Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) arbeiten an der Frage, wie zukünftige Generationen mit ausreichend gesunden Lebensmitteln versorgt werden können und welche Technologien dafür notwendig sind. Ausgehend von zwei Extremszenarien (kein Land, kein Handel) werden flexible Indoor-Kultivierungssysteme für die urbane Produktion alternativer Nahrungsquellen (Makroalgen, Salzpflanzen, Quallen und Grillen) entwickelt. Soziologische und anthropologische Untersuchungen beleuchten die die Wechselwirkung der Extremszenarien zwischen Ernährungssystem und Gesellschaft. Gefördert wird das Verbundprojekt im Rahmen der Förderlinie
„Agrarsysteme der Zukunft“ mit rund 6 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).