10. Jan. 2015: Wie beeinflusst der Klimawandel in unseren Breiten den Beginn der Getreideernte und die Zahl der witterungsbedingt verfügbaren Erntestunden und damit den Einsatz von Erntemaschinen? WissenschaftlerInnen des Potsdamer Leibniz-Instituts für Agrartechnik und der Humboldt-Universität zu Berlin haben dazu erstmals Ernte- und Wetterdaten aus Brandenburg der letzten 50 Jahre analysiert. Die Ergebnisse wurden heute in der renommierten Fachzeitschrift „Agricultural and Forest Meteorology“ veröffentlicht.
Die Getreideernte zählt zu den am stärksten wetterabhängigen Prozessen in der Landwirtschaft. Der Feuchtegehalt des Korns entscheidet über Einsatzzeitpunkt und -dauer von teuren Erntemaschinen und damit letztlich auch über die Kosten der Produktion.
Welchen Einfluss hat der Klimawandel auf den Beginn der Ernteperiode und die witterungsbedingt verfügbaren Mähdruschstunden in Brandenburg? Dieser Frage gingen WissenschaftlerInnen des Leibniz-Instituts für Agrartechnik und der Humboldt-Universität zu Berlin nach. Sie analysierten Erntezeiten für die vier Getreidearten Winterweizen, Winterroggen, Winter- und Sommergerste über den Zeitraum 1961-2013 anhand von Wetterdaten, Aufzeichnungen zum Erntebeginn, den auf Kornfeuchte beruhenden möglichen Erntestunden sowie der benötigten Maschinenkapazität für den Mähdrusch.
Die exemplarisch für Brandenburg erstellte Studie zeigt signifikante Verschiebungen der Erntezeiten – wobei sich die Trends für die vier untersuchten Getreidearten erheblich unterscheiden. Insbesondere die Produktion von Roggen und Weizen, den in Brandenburg flächenmäßig dominierenden Getreidearten, ist durch den Klimawandel betroffen. Die Ernte von Winterweizen beginnt heute im Durchschnitt 11 Tage früher, die von Sommergerste 16 Tage früher als vor 53 Jahren. Während sich die Anzahl der Stunden, in der die Kornfeuchte eine Ernte erlaubt, bei Roggen um 3%, bei Wintergerste sogar um 20% verringerten, stiegen diese bei Weizen um 9% an. Diese Ausweitung der möglichen Erntestunden bei Weizen bringt jedoch keinen Vorteil: Wegen des früheren Erntebeginns bei Weizen kommt es zu einer zeitlichen Überlappung der Weizen- und Roggenernte; zeitgleich wird mehr leistungsfähige Erntetechnik benötigt, um das reife Getreide rechtzeitig einzufahren.
In Brandenburg beansprucht Winterroggen derzeit die höchsten Mähdruschkapazitäten. Im Vergleich zu Weizen muss für die Roggenernte zwei bis dreimal so viel Schlagkraft bereitgehalten werden. Gründe sind die geringe Zahl von Stunden, wann die Kornfeuchte eine Ernte möglich macht, und die insgesamt große Roggenanbaufläche. Die Zahl möglicher Erntestunden bei Weizen ist doppelt so hoch wie bei Roggen. Weizen kann zudem über durchschnittlich drei Wochen hinweg geerntet werden, Roggen nur binnen zwei Wochen.
„Das Wissen darum, wann Getreide mit einer bestimmten Kornfeuchte geerntet werden kann, ist für die Landwirte enorm wichtig, damit sie ihren Betrieb mit der angemessenen Maschinenkapazität ausstatten können bzw. in der Lage sind, die Ernte durch Lohnunternehmer optimal zu organisieren“, betont Prof. Dr. Annette Prochnow vom Leibniz-Institut für Agrartechnik.
Wird zu wenig Mähdruschkapazität vorgehalten, dauert die Ernte zu lange und Masse- und Qualitätsverluste müssen in Kauf genommen werden. Überkapazität dagegen resultiert in hohen Maschinenkosten bei zu geringer Auslastung. Beides schlägt sich in den Produktionskosten nieder.
„Unsere Studie zeigt, dass Landwirte für sich ändernde Erntezeitfenster gerüstet sein müssen. Entweder indem sie in höhere Druschkapazität investieren oder bei höheren Kornfeuchten ernten und die hierfür erforderlichen Trocknungsanlagen verfügbar sind. Je nach Betrieb sollten die Ernte- und Konservierungskapazitäten bestmöglich aufeinander abgestimmt sein“, ergänzt Annette Prochnow.
Es ist geplant, die in der Studie angewendeten Methoden der Datenanalyse in künftigen Untersuchungen auf Regionen mit anderen klimatischen Bedingungen zu übertragen.
Kontakt:
Prof. Dr. Annette Prochnow - Technikbewertung und Stoffkreisläufe
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Das Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim e. V. ist ein europäisches Zentrum agrartechnischer Forschung an der Schnittstelle von biologischen und technischen Systemen. Unsere Forschung zielt auf eine wissensbasierte Bioökonomie. Hierfür entwickeln wir hochinnovative und effiziente Technologien zur Nutzung natürlicher Ressourcen in landwirtschaftlichen Produktionssystemen - von der Grundlagenforschung bis zur Anwendung. Damit tragen wir bei zur Ernährung von Mensch und Tier, zur nachhaltigen Nutzung von Biomasse und zum Schutz von Klima und Umwelt.